Warum verlieben wir uns? Warum wird manchmal aus einem Verliebtheitsgefühl Liebe und manchmal nicht? Warum bleiben wir in Beziehungen, warum müssen wir manchmal gehen? Warum lieben wir jemanden und jemand anderen nicht (mehr)? Weil wir nicht anders können und weil Liebe die schönste Erfahrung ist, die wir machen können.
"Eigentlich ist er nicht mein Typ", "So gut finde ich ihn gar nicht", "Sie wohnt viel zu weit weg", "Sie hat einen komischen Musikgeschmack" – und trotzdem verlieben wir uns. Auch in Menschen, über die wir im ersten, vielleicht auch im zweiten Moment, sagen, dass sie gar nicht zu uns passen. Wo wir Gründe dagegen finden, um bloß nicht dafür zu sein. Dafür zu sein, unser Herz her zu geben. An jemanden, der wegen diesem oder jenem nicht passt. Und manchmal treffen wir jemanden, da ist es schnell klar: Er/sie gefällt mir. Entspricht auf jeden Fall optisch "meinem Typ" oder man teilt den gleichen Humor, das gleiche Hobby oder die Liebe zur Musik.
Und manchmal ist es ganz verrückt: Da treffen wir jemanden, der uns optisch gefällt, der auch noch über die gleichen Witze lacht, mit dem wir stundenlang reden können und trotzdem verlieben wir uns nicht. Wieso ist das so?
Liebe ist ganz viel Geheimnis
Darauf eine konkrete Antwort zu geben und von ihr zu behaupten, dass sie wissenschaftlich fundiert wäre, wäre grob fahrlässig. Wieso und weshalb wir uns verlieben, das ist viel Biologie, auch ein bisschen Chemie, Sozialforschung und vor allem eine ganze Menge unergründeter Geheimnisse. Das ist wahrscheinlich auch besonders schön daran. Dass wir es nicht zu hundert Prozent sagen können, warum es mit einem Menschen etwas wird und mit einem anderen nicht. Warum wir uns manchmal schnell und manchmal erst nach Jahren in jemanden verlieben. Warum wir mit einer Person unser halbes Leben verbringen können und mit jemand anderem nach Wochen die schöne Verliebtheitsblase geplatzt ist.
Am Anfang steht in jedem Fall ganz viel Zauber, Bauchkribbeln und Aufregung. Das verfliegt irgendwann, denn der Körper ist nicht dafür gemacht, für immer in diesem Ausnahmezustand zu leben. Denn das ist es, was verliebt sein ist: Ein Ausnahmezustand für Körper, Geist – und auch die Menschen, die uns in dieser Zeit ertragen dürfen.
Plötzlich können wir ohne viel Essen klarkommen, starren gedankenverloren Löcher in die Luft, hören einen Song auf Dauerschleife und haben fünf Mal am Tag Sex, weil wir nicht genug voneinander bekommen können. Da ist ganz viel Dopamin im Spiel, ganz viel Hormoncocktail, der macht, dass wir nicht mehr klar denken können.
Das ist die Zeit, in der wir die brühmte rosa Brille aufhaben. Wo der, die andere einfach perfekt erscheint, wo uns nichts stört und wo wir uns unbesiegbar fühlen. Da alles im Leben aber ein Anfang und dadurch auch ein Ende hat, geht dieses Verliebtheitsgefühl irgendwann vorbei. Und genau dann wird es spannend: Entweder bleiben wir beieinander, weil wir aus dem Verliebtheitsgefühl Liebe machen konnten, oder wir gehen, weil im Licht der Realität, ganz ohne Hormonbrille, der, die andere doch nicht so gut zu uns passt.
Liebe ist eine Entscheidung
Wie entscheiden wir das aber, dass wir bleiben? Wieso bleiben wir, wenn es schwierig wird? Und wieso gehen wir manchmal, wenn doch eigentlich "alles passt"?
Auch wenn es unromantisch klingt, am Ende ist Liebe irgendwann genau das: Eine Entscheidung. Natürlich mit viel Herz, aber schon auch mit viel Kopf. Irgendwann entscheidet man sich – immer wieder – zu gehen oder zu bleiben. Darum können wir manchmal einen Seitensprung verzeihen, manchmal nicht. Deshalb können wir mit jemandem Zusammenbleiben, auch wenn wir räumlich weit voneinander entfernt sind. Und deshalb trennen wir uns von jemandem, mit dem wir Bett, Bad und Babys teilen.
Zu Lieben, oder eben auch nicht mehr, ist ganz viel innere Stimme. Sich selbst und den anderen gut kennen und gemeinsame Vorstellungen, Werte, Ideen und Lebensentwürfe abgleichen. Sich aus einer Liebe zu lösen ist oft mutig. Zu bleiben in gewissen Situationen aber auch.
Ganz allgemein ist zu Lieben eine mutige Sache. Wenn wir ehrlich lieben, dann legen wir uns dem anderen in die Hand und vertrauen darauf, dass man uns nicht einfach auf den Boden wirft. Wir machen uns verletzlich und genau dadurch entsteht Nähe und Intimität. Auch ein Grund, warum wir uns verlieben: Wenn sich jemand wahr, wahrhaftig und authentisch zeigt und vor allem zeigt, dass er, sie nicht perfekt ist, dann verlieben wir uns. Weil wir dann über die optische Hülle von jemandem hinein sehen, in das, was jemand ist. Und wenn wir jemanden in seiner Vollständigkeit sehen, können wir auch entscheiden, ob wir diese Person (weiterhin) lieben wollen.
Wieso lieben wir denn nun?
Ich glaube, dass wir lieben, weil wir in und mit jemandem etwas finden, was unser Leben auf eine bestimme Art bereichert. Eine Qualität in uns zum Vorschein bringt, was nur dieser Mensch schafft, uns ein Stück von sich leiht und wir dadurch eine noch rundere Sache werden. Wir lieben, weil wir uns nach echten Verbindungen sehnen. Und manchmal klappt das mit jemandem, der optisch genau "unserem Typ" entspricht und manchmal ist es jemand, von dem wir nie gedacht hätten, dass wir ihn oder sie lieben könnten.
Manchmal überraschen wir uns selbst damit, wen wir lieben und lernen dabei eine ganze Menge über uns selbst. Verlieben wir uns in den schüchternen, zurückhaltenden Typen, der unglaublich liebevoll ist, obwohl wir davor eher auf draufgängerische Typen standen. Mit denen hat's aber nie geklappt, weil sie nicht das waren, was wir in unserem Leben gebraucht haben.
Wir verlieben uns, wenn wir zulassen, dass unser Unterbewusstsein Entscheidungen für uns trifft. Wenn wir nicht im Kopf mit Argumenten um uns werfen, sondern dem Flüstern einer leisen, subtilen Stimme in uns zuhören, die genau weiß, was wir im Leben gerade brauchen. Weil wir in jemandem etwas finden, was wir in uns oder in unserem Leben vermisst haben. Weil wir eine Qualität von uns ausleben können, eine Seite die wir vor anderen verstecken oder weil wir uns endlich gesehen fühlen, für den Menschen der wir sind.
Wir lieben in Abschnitten, in Etappen und jedes Mal ein bisschen anders. Wir lernen jedes Mal, wenn wir uns verlieben, wenn wir bei jemandem bleiben und wenn wir uns von jemandem trennen. Wir lieben, weil wir Erfahrungen machen und brauchen und weil das Leben nur halb so schön wäre, wenn wir nicht lieben würden – und es dann viel weniger Filme, Lieder und Bücher über dieses aufregende, verletzliche und wunderschöne Thema geben würde.
Wir lieben, weil wir dafür gemacht sind. Weil wir lieber mit jemandem, als alleine sein wollen und weil verliebt sein und zu Lieben die schönsten Erfahrungen sind, die wir machen können.
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